Humboldt University Mosse Lecture
“Reflections on Liberal and Humanist Nationalism in Times of War: George Mosse and the Contradictions of Jewishness, Zionism and Israel”
Steven Ascheim (Hebrew University, emeritus)
Senatssaal of Humboldt University
15 May, 2025 19:00 CET
With Ethel Matala de Mazza
Im Sommersemesters 2025 widmen sich die Mosse Lectures dem derzeit stark diskutierten Thema Zionismus. Angesichts der Intensität der jüngeren Debatten um den Nahostkonflikt ist es ein grundlegendes Anliegen der neuen Programmreihe, Aufklärung zu leisten und Einblicke in die Geschichte des Zionismus jenseits der Verengung des Begriffs auf das Projekt der Gründung eines jüdischen Nationalstaats und unter Einbeziehung palästinensischer Perspektiven zu bieten. Worum es gehen soll, ist eine Geschichte des Zionismus vor 1948, in der Perspektiven aus Philosophie, Jüdischen Studien und der Geschichtswissenschaft verdeutlichen, dass es »den« Zionismus nicht gab. Seine Geschichte ist vielstimmig, plural und umwegig. Sie lässt sich als Geschichte der »persönlichen und ideologischen Vielfalt« [Shlomo Avineri] einer nationalen
Bewegung verstehen, deren interne Spannungen die Vorgeschichte Israels charakterisieren. So eindeutig das zionistische Projekt am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem doppelten Widerspruch gegen den Antisemitismus und die »Assimilationssucht«, mit Konzepten der »Selbstemanzipation« und »jüdischen Renaissance« einsetzte, so wenig selbstverständlich war die Form seiner politischen Realisierung. Zu den grundlegenden Herausforderungen der zionistischen Bewegung gehörte von Beginn an der innerjüdische Konflikt zwischen dem erklärten Ziel der Errichtung eines jüdischen Nationalstaates und den Traditionen des Judentums als »Volk im Exil«, den Hannah Arendt 1945 auf die Formulierung einer doppelten Loyalität brachte – und als unausweichliches Problem für das zionistische Projekt benannt hat. Über die Palästina-Frage hinaus war einer der Hauptschauplätze dieser Spannung seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert die Diaspora in den Vereinigten Staaten, wo viele Jüdinnen und Juden dem Projekt der Staatsgründung und vor allem dem Gedanken einer Auswanderung in diesen Staat skeptisch gegenüberstanden und Begriffe wie »E xil« oder »Galut« positiv konnotiert
waren. Der Blick auf die Geschichte des Zionismus eröffnet eine Vielzahl von Erzählungen, Entwürfen und Einsprüchen, unter denen im frühen zwanzigsten Jahrhundert insbesondere der Kulturzionismus eine vitale Alternative zum Staatsgründungsprojekt war. Ziel der Reihe ist es, diese Vielfalt sichtbar zu machen.
Steven E. Aschheim Historiker; Professor emeritus für Geschichte an der Hebräischen Universität von Jerusalem. Zudem war er Direktor des Franz Rosenzweig Minerva Research Center for German-Jewish
Literature & Cultural History. Seine Forschungsgebiete umfassen die europäische Kultur- und Ideengeschichte sowie die moderne deutsche und jüdische Geschichte. Neben akademischen Zeitschriften hat er unter anderem für die New York Times und Haaretz geschrieben. Er verbrachte Forschungsaufenthalte an der Graduate Theological Union in Berkeley, am Institute of Advanced Study in Princeton und war 2002–2003 der erste Mosse Exchange Professor an der University of Wisconsin, Madison.