2013: Gayatri Spivak, “Europe?”

Gayatri Spivak, “Europe?”
Thursday, 5 December 2013, 19:00 CET
Senatssaal of Humboldt University
Unter den Linden 6
10117 Berlin
GERMANY

With Ulrike Vedder

Sponsored by:

The Mosse Foundation
Fritz Thyssen Stiftung
Institut für deutsche Literatur
Humboldt University
Mosse Lectures

Winter Term 2013-14 Mosse Lectures poster

Description: Mein Thema heißt „Europa?“ Das Fragezeichen ist ein Zeichen dafür, dass hier eine Intellektuelle spricht. Fraglich ist und bleibt der Anspruch auf ein Kontinentaleuropa, den dieses winzige nordwestliche Kap des riesigen Eurasischen Kontinents stellt. Fraglich eben deshalb, weil dieser Anspruch mit Nachdruck vorgebracht wird, nunmehr im Namen einer Union, die man ganz offen als nichts anderes als eine Ansammlung von Kredit- und Schuldnerstaaten beschreibt unter der Aufsicht Deutschlands. Die europäische Verfassung, die entworfen wurde, um behaupten zu können, dass es sich bei diesem Gebilde um eine schon etablierte multikulturelle Kontinentalgemeinschaft handelt, musste sich als Fehlschlag erweisen, weil mit ihr die allein ökonomische Zweckdienlichkeit verschleiert werden sollte. Auf der wegweisenden Essex-Konferenz von 1982 hatte ich vorgeschlagen, nicht von „Europa und seinen Anderen“ zu sprechen, sondern von Europa als „dem Anderen“. Wir waren uns damals sicher, dass die Zeit für diesen oder jenen Europagedanken noch nicht gekommen war. Im Zuge der fortschreitenden Globalisierung hat sich diese Art zu denken ohnehin als überholt erwiesen. Heute stelle ich fest, dass, wenn man in Afrika oder Asien an „Europa“ denkt, immer noch die alten Imperialmächte meint: Großbritannien und Frankreich, auch Deutschland. Aus diesem Grund habe ich in meinem Vortrag eher den „Rändern“ Aufmerksamkeit gewidmet, der Vorstellung von den Balkanländern seit dem 18. Jahrhundert. Und da ich mich vor allem für die „gendered subalternity“ interessiere, komme ich auf die Frauen der Roma zu sprechen, die ein Schattendasein als eine Art „shadow of the shadows“ führen. Am Ende möchte ich eine andere, leichtere Tonart anschlagen und von denen sprechen, die gar nicht an „Europa“ denken können oder wollen.

Gayatri Spivak: Avalon Foundation Professor in the Humanities und Prof. of Comparative Literature an der Columbia University in New York; Mit Edward Said und Homi Bhabha gilt sie als Mitbegründerin der Postcolonial Studies (“Can the subaltern speak?”); wegweisende Forschungen auf den Gebieten von Feminismus und Globalisierung, Literatur- und Kulturtheorie; Zugehörigkeit zu der von Ranajit Cuha be-gründeten Gruppe der „Subaltern Studies“; 2012 erhielt sie den Kyoto Preis; Veröffentlichungen u.a. A Critique of Postcolonial Reason: Towards a History of Vanishing Present (1999), Death of a Discipli