Eva Menasse and Carolin Emcke, “Das Geheimnis (in) der Literatur” / “The Secret (in) Literature”
Thursday, 4 February 2016, 19:00 CET
Senatssaal of Humboldt University
Unter den Linden 6
10117 Berlin
GERMANY
With Ulrike Vedder
Sponsored by:
The Mosse Foundation
Institut für deutsche Literatur
Humboldt University
Fritz Thyssen Stiftung
Mosse Lectures
Description: Auf zauberische Weise sind Geheimnisse der Stoff, aus dem die Literatur besteht. Schriftsteller eignen sich Geheimnisse an und machen sie öffentlich. Aber nur, wenn es ihren Werken gelingt, auf eine andere, nämlich genuin literarische Weise wiederum neues Geheimnis zu schaffen, wird echte Literatur daraus. Das unterscheidet sie von der Unterhaltungsliteratur, die zwanghaft danach strebt, bis zur letzten Seite jeden Zweifel auszuräumen. Literatur ist ein geheimnisvolles Gefäß für Ambivalenzen, Unklares und Widersprüchliches. Wie man mit Sprache Geheimnisse rahmen und erzeugen kann, will der Vortrag von Eva Menasse anhand von Beispielen zeigen. Er wird versuchen, das Geheimnis in der Literatur vom Rätsel zu unterscheiden, er wird Fragen von Camouflage und Buddenbrooks-Effekt zumindest streifen, und er wird aus der persönlichen Schreiberfahrung berichten, wieviel ein Autor über seine Figuren wirklich weiß und was ihm selbst bis zuletzt aus gutem Grund verborgen bleibt.
In dem anschließenden Gespräch soll es zudem um die Frage gehen, inwiefern die so verstandene Literatur eine Vorstellung von Geheimnissen behütet und erweitert, die in der hypertransparenten Welt der Überwachung abhandengekommen ist. Mit dem Geheimnis verknüpft sich nicht allein das notwendig Verborgene, sondern auch das Private, Intime, Unsichere, und damit womöglich auch das Verzeihliche. Was für eine Gesellschaft ist das, in der das Geheimnis und alles, was mit ihm verbunden ist, keinen Raum und keinen Schutz mehr erhält? Was für Deformationen des Menschlichen und der menschlichen Beziehung ergeben sich aus der Allianz von freiwilliger Transparenz und unfreiwilliger Überwachung?
Eva Menasse: Österreichische Journalistin und Schriftstellerin, im Jahr 2000 erschien ihr Bericht Der Holocaust vor Gericht, ihre Romane wurden in mehrere Sprachen übersetzt: Vienna (2005), Lässlische Todsünden (2009), Quasikristalle (2013); 2015 erschien ein Band mit Essays Lieber aufgeregt als abgeklärt
Carolin Emcke: freie Journalistin und Autorin, Reportagen aus Krisengebieten für Die Zeit, Kolumnistin der Süddeutschen Zeitung, Gastdozentin an verschiedenen Universitäten, Buchpublikationen u.a. Von den Kriegen. Briefe an Freunde (2004), Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF (2008), Wie wir begehren (2012), Weil es sagbar ist. Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit (2013)
Photo credit: Niels Leiser for the Mosse Lectures